Zeitreise in Karlsruhe

Zeugen der Zeit

Flashback erleben

von Lena

Mitte Oktober hat sich der Sommer auch in Karlsruhe so langsam verabschiedet. Die grauen Wolken und der Regen machen es einem nicht leichter den Herbst willkommen zu heißen. Was also tun, um sich vom tristen Wetter abzulenken? Ich schau mich zu Hause nach einer sinnvollen Beschäftigung um, da fallen mir die alten Postkarten, die Opa noch gesammelt hat, in die Hände! Wow – Karlsruhe vor 100 Jahren.

Ich bin ganz schön erstaunt! Zum einen von den vielen Gebäuden, die ich gar nicht kenne und zum anderen von den Plätzen und Gebäuden, die auch heute noch fester Bestandteil meines Alltags sind. Diese Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem fasziniert mich. Ich will unbedingt herausfinden, wo diese unbekannten Orte liegen und wie sie heute aussehen! Je mehr ich recherchiere, desto spannender wird das Ganze. Im Nu hab ich mir eine Route zusammengestellt, um die interessantesten Plätze sowie meinen Lieblingsplatz im Hier und Jetzt zu besuchen.

Auf den Spuren der Zeit – Ab ins letzte Jahrhundert

Gewappnet mit den alten Postkarten und meiner Kamera ziehe ich los. Der Tag ist, wer hätte das gedacht, grau und bewölkt. Aber heute stört mich das ausnahmsweise überhaupt nicht. Ich freu mich auf meine Entdeckungstour und bin total gespannt, auf welche Zeugen der Zeit ich heute noch treffen werde.

Mein erstes Ziel ist die Luisenschule in der Otto-Sachs-Straße. Diese war Eigentum des Badischen Frauenvereins, welcher 1859 von der Großherzogin Luise von Baden in Karlsruhe gegründet wurde.

Luisenschule des Badischen Frauenvereins in der Otto-Sachs-Straße 5 um 1900

Am rechten Gebäudeende entdecke ich eine Informationstafel: Anfangs diente der Verein der Sammlung von Geld, Kleidung und Verbandsmaterial, welches die österreichischen Truppen im italienischen Krieg unterstützen sollte. Doch auch als der Krieg vorbei war, blieb der Verein bestehen. Neben der Armen-, Kranken- und Kinderpflege widmete sich der Verein von da an der Berufsausbildung für Frauen. Auf der Postkarte sieht man auf dem Dach das rote Kreuz und auf den Balkonen bzw. an den Fenstern die vielen (zukünftigen) Krankenschwestern. Auf der Informationstafel steht auch, dass der Verein 1919, also kurz nach dem ersten Weltkrieg, mit 93.000 Mitgliedern der größte badische Verein war! Das Wissen, dass dieser Ort dadurch eine wichtige Rolle in der politischen Gleichberechtigung spielte, macht mich dankbar. Durch engagierte Frauen, wie die des Badischen Frauenvereins, wurde nicht zuletzt auch mir vieles möglich gemacht. An dieses Gefühl der Dankbarkeit werde ich mich ab jetzt immer erinnern, wenn ich an der Luisenschule vorbeikomme.

Luisenschule heute

Informationstafel zum Badischen Frauenverein angebracht am Gebäude der ehemaligen Luisenschule

Neues Leben für die ehemalige Dragonerkaserne

Als ich in die Bahn steige, um zur nächsten Etappe meiner Zeitreise zu kommen, bin ich mit den Gedanken immer noch in den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Ich versuche mir vorzustellen, wie es gewesen wäre, damals gelebt zu haben. Als eines der ersten Mädchen die Ausbildung zur Krankenpflegerin zu machen, erforderte sicherlich Mut. Aber ich stelle mir die Stimmung unter den Schülerinnen der Luisenschule auch aufgeregt und rebellisch vor. „Yorckstraße“ – Oh, hier muss ich raus.

Kurzzeitig wieder in der Gegenwart angekommen, versuche ich mich zu orientieren und die ehemalige Dragonerkaserne bzw. deren Gelände zu lokalisieren. Obwohl nur noch Teile der Kaserne erhalten sind, kann man sie nicht übersehen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Gebäude auf der Postkarte noch existieren. Gut möglich, dass sie zum Vorderbau gehört haben, der 1899 abgerissen wurde.

Teil der Dragonerkaserne vor ca. 100 Jahren

Gebäude der Dragonerkaserne heute

Bis 2014 war das Luftwaffenmusikkorps 2 der Bundeswehr dort untergebracht. Das professionelle, symphonische Blasorchester gab sein letztes Konzert im März 2015 in der Stadthalle Karlsruhe. Während meiner Recherche hab ich herausgefunden, dass die Stadt Karlsruhe Ende 2015 das leerstehende Gebäude angekauft hat, um Kultureinrichtungen mit Raumbedarf ein neues Zuhause zu geben. Unschwer zu erkennen befinden sich dort heute also unter anderem die Volkshochschule Karlsruhe, das Internationale Begegnungszentrum sowie verschiedene andere Institutionen der Stadt Karlsruhe. Außerdem beherbergt das Gelände die Dragonersporthalle, die Kindertagesstätte „Villa im Zaubergarten“ sowie eine große Wohnsiedlung inklusive Grünanlage.

Eine ganz schön bunt gemischte Neuauflage der ehemaligen Kaserne. Aber ich finde die Mischung perfekt – einige Gebäude der Kaserne sind noch erhalten und werden auch genutzt. Drum herum entwickelt sich das Karlsruhe von heute immer weiter. Wieso auch nicht die eindrucksvollen Gebäude von damals mit den modernen Architekturen von heute kombinieren? Mir war immer schon wichtig, nicht zu vergessen, woher man kommt. Durch die spannende Kombination wird man hier täglich an die Geschichte seiner Heimat erinnert.

Park auf dem Gelände der ehemaligen Dragonerkaserne

Internationales Begegnungszentrum

Klettergerüst im Park

Ruhig und friedlich oder doch lieber laut und lebendig?

Ein krasser Vergleich ist in meinen Augen die Kaiserallee damals und heute. Auf der Postkarte wirkt die Allee sehr idyllisch und friedlich.  Eine Straßenbahn ist zwar schon vorhanden, sie definiert jedoch nicht das Erscheinungsbild der Allee. Im Vergleich dazu steht die Straßenbahn auf meinem aktuellen Foto im Mittelpunkt des Geschehens.

Ich liebe es, dass man in Karlsruhe dank der öffentlichen Verkehrsmittel, ständig mobil ist. Aber manchmal würde ich dann doch die ruhige Kaiserstraße von vor 100 Jahren vorziehen, um der Hektik unseres Alltags auch mal entfliehen zu können.

Entspannte Atmosphäre auf der Kaiserallee vor 100 Jahren

Stadtverkehr – Typisches Treiben auf der Kaiserallee von heute

Eindrucksvolle Baukunst am Europaplatz

Weiter geht’s zu Fuß in Richtung Europaplatz, genauer gesagt zur Hauptpost. Dieses architektonisch wunderschöne Gebäude begeistert mich immer wieder von neuem. Ein beeindruckendes Bauwerk! Und das war es auch schon vor 100 Jahren.

Die Hauptpost am Europaplatz im 20. Jahrhundert

Das ehemalige Reichs-Post-Telegraphengebäude der Kaiserlichen Oberpostdirektion, später dann Reichspost, hat irgendwie eine einschüchternde Wirkung auf mich.  Es ist früher Nachmittag und es herrscht ein hektisches Treiben am Europaplatz. Ausgelassene Schulkinder, die auf dem Heimweg sind, gestresste Geschäftsleute, die mal wieder spät dran sind oder auch solche, die einfach nur etwas bummeln wollen. Von jung bis alt, ob Bürger oder Touristen – vor der ehemaligen Hauptpost ist immer was los. Diese wurde 2001 nämlich zu einem großen Einkaufszentrum umgebaut – die Postgalerie.

Die Postgalerie 2016

Skandalöser Brunnen für die kleine Auszeit

Den Stephansbrunnen findet man direkt hinter der Postgalerie, auf dem Stephanplatz. Hier ist mein Lieblingsort in Karlsruhe, allein deshalb war diese Postkarte ein Muss!

Der Stephansbrunnen auf dem Stephanplatz in Karlsruhe vor ca. 100 Jahren

Wegen der Statue einer nackten Frau damals heftig umstritten, heute ein beliebter Ort zum Verweilen – der Stephansbrunnen

Der Brunnen samt Platz bietet eine willkommene Gelegenheit, um etwas zu verweilen. Nahe an der Haupteinkaufsstraße, aber dennoch etwas abgelegen und ruhiger ist es der perfekte Ort für die kleine Pause zwischendurch. 1905 wurde der Brunnen nach heftigen Diskussionen, die die Schicklichkeit betrafen, erbaut – er ist also schon stolze 111 Jahre alt! Und auch damals scheint er die Menschen schon angezogen zu haben.

Weil ich einfach gern hier bin, setze ich mich noch in eines der Cafés, die den Platz mit der Postgalerie verbinden, trinke einen Cappuccino und beobachte das Geschehen.

Das erste überdachte „Kühle Nass“ von Karlsruhe

Die letzte Etappe meiner kleinen Zeitreise führt mich in die Ettlingerstraße. Hier befindet sich die erste öffentliche Badeanstalt der Stadt – das Städtische Vierordtbad. Laut Informationstafel wurde es 1873 fertiggestellt und erhielt 1900 eine Schwimmhalle. Da es mir heute jedoch zu ungemütlich für einen Schwimmbadbesuch ist, habe ich hier ein paar Bilder des Gebäudes von außen.

Eingang Vierordtbad

Schwimmhalle Vierodtbad damals

Informationstafel Vierordtbad

Wenn ihr sehen wollt, wie das Bad heute drinnen aussieht – im Vergleich zu der Postkarte – dann packt eure Badehose ein und findet es heraus!

Die nächste Zeitreise kommt gewiss!

Jetzt bin ich richtig erschöpft, aber sehr froh, dass mir die Postkarten heute Morgen in die Hände gefallen sind. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag noch so spannend werden würde.

Ich bin natürlich mittlerweile wieder in der Gegenwart angekommen, werde die Etappen meiner Zeitreise aber nicht so schnell vergessen. Und bald vielleicht eine weitere unternehmen, schließlich gibt es noch viel mehr Orte zu entdecken, die an das frühere Karlsruhe erinnern.

Habt ihr auch Lust bekommen? Dann schaut euch doch mal dieses Angebot hier an! Viel Spaß :)

Die Sammlung historischer Postkarten meines Opas